Short Story
Twisted Fate
der Meister der Karten

Twisted Fate

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Twisted Fate
der Meister der Karten

Der Junge Tobias Felix aus dem Nomadenvolk am Schlangenfluss-Delta lernte schnell, was es heißt, ein Außenseiter zu sein. Das Volk des Jungen wurde zwar wegen der exotischen Waren geduldet, mit denen sie handelten, aufgrund ihrer merkwürdigen Bräuche aber auch gemieden. Und wenn sie mit ihren farbenfrohen Flussbarken anlegten, wurden sie nicht gerade herzlich begrüßt. Die Ältesten würden einfach mit den Schultern zucken und behaupten, dass das Leben nun einmal so sei … aber die offensichtlichen Vorurteile gingen Tobias schon immer gegen den Strich.

Seine wahre Bestimmung fand er in den Spielzelten, zwischen Glücks- und Geschicklichkeitsspielen wie Mortwheel und Stabberscotch, wo er sein erstes Kartendeck in die Hände nahm. Viele Jahre zuvor brachte ihm sein abergläubischer Großvater bei, wie man Omen in einem Deck Karten lesen konnte. Von seiner Tante lernte er später, wie man alle verräterischen Zeichen eines Gegenspielers liest. Beide gemeinsam trugen ihm das Spiel „Krakenhand“ zu, bei dem es um hohe Einsätze ging und das er bald wie ein alter Meister beherrschte. Er konnte den Platz jeder Karte in einem Deck beinahe fühlen und ihre Bewegungen über alle Hände hinweg verfolgen. Er wurde oft des Falschspielens bezichtigt, doch niemand konnte genau erklären, wie er dies anstellte.

Letztendlich kehrte eine Gruppe von Männern, die ihr Vermögen an den jungen Tobias verloren hatten, mitten in der Nacht zu ihm zurück, um die Rechnung mit ihm zu begleichen. Sie kamen betrunken und mit Knüppeln bewaffnet, durchforsteten auf der Suche nach ihm jedes Zelt und schlugen jeden des Flussvolks nieder, der sich ihnen in den Weg stellte. Aus Angst um sein Leben flüchtete Tobias in die Dunkelheit.

Als die Dämmerung anbrach, schlich er sich kleinlaut zurück, nur um festzustellen, dass sein Volk das Lager abbrach. Niemand schaute ihm in die Augen. Er hatte nur an sich selbst gedacht und die Anderen die Konsequenzen für seine Taten tragen lassen.

Obwohl er sie alle anflehte und um Vergebung bat, wurde Tobias für seine Taten verbannt. Seine Welt zerbrach, als er hilflos mit ansah, wie sein Volk ohne ihn davonsegelte und ihn am Flussufer mit nichts weiter außer dem zerschlissenen Kartendeck seines Großvaters, das er in seinen Händen hielt, zurückließ.

Als Landstreicher wuchs er heran, klapperte die Glücksspielhöllen aller Städte ab und setzte sein außergewöhnliches Talent beim Kartenspiel ein, um das nötige Geld zum Überleben zu verdienen. Dass Tobias die Überheblichen, Arroganten und Grausamen ihres Vermögens beraubte, war lediglich ein zusätzlicher Bonus – obwohl er immer darauf bedacht war, seine Opfer die eine oder andere Runde gewinnen zu lassen.

Einmal saß ihm ein kläglicher Bursche namens Malcom Graves am Spieltisch gegenüber.

Da jeder von ihnen im anderen einen Seelenverwandten sah, taten sich Tobias und Graves schnell zusammen und die beiden verbrachten die nächsten Jahre damit, verschiedenste … dubiose Unterfangen in den Küstenstädten des Nordostens und darüber hinaus anzustellen. Mit jedem Betrug, Schwindel oder Raub fühlte sich Tobias stärker zu den Karten hingezogen und er wusste, dass es mehr als bloßes Spielerglück war, das ihn leitete. Sein Volk hatte seit jeher alle Sorgen über primitive Magie und „Kartenzauberei“ von der Hand gewiesen, doch nun begann Tobias nach immer gefährlicheren Möglichkeiten, den Karten seinen Willen aufzuzwingen, zu suchen.

Jene Suche endete schlimm, als ein besonders gewagter Raubüberfall schief ging. Die genauen Geschehnisse jener Nacht bleiben im Dunkeln, da keiner von den beiden darüber sprechen wollte – doch Graves wurde gefangen genommen und Tobias und die anderen Komplizen konnten entkommen.

Er versuchte zwar, Graves aus dem Gefängnis zu befreien, doch all seine Mühen waren vergebens. Als Zeichen eines Neuanfangs gab er schließlich dem Fluss seinen Geburtsnamen zurück und nahm einen neuen Namen an: Twisted Fate.

Danach ging Twisted Fate weiterhin seinen kriminellen Geschäften nach, sowohl innerhalb der Oberschicht als auch der Unterschicht einer jeden Stadt, die er besuchte. Doch ohne die Hilfe seines Partners fand er sich des Öfteren in die Enge getrieben wieder. Tatsächlich wurde er unzählige Male auf spektakuläre Weise verhaftet, aber keine Zelle konnte ihn lange festhalten. So war Twisted Fate stets im Morgengrauen verschwunden und nur eine spöttisch zurückgelassene "Visitenkarte" bewies, dass er überhaupt dort gewesen war.

Im Hafen von Bilgewasser kam es schließlich zur Abrechnung zwischen Twisted Fate und Graves. Als sie in einen Machtkampf zwischen den Schiffskapitänen, die dort das Sagen hatten, gerieten, waren sie dazu gezwungen, ihren Streit beizulegen. Doch nach dem Tod des Räuberkönigs Gangplank gelang es ihnen, sich schnell zu versöhnen und die beiden machten sich auf den Weg zum entfernt gelegenen Piltover.

Insgesamt ist Twisted Fate froh, seinen alten Freund wiederzuhaben, auch wenn es noch ein oder zwei – oder auch zehn – Aufträge dauert, bis sie wieder zu ihrer einst unkomplizierten Partnerschaft zurückfinden.